Stimme und stille Tätigkeit

 

Was genau arbeitest du? Versuch einer Definition.

 

 Vor einigen Tagen wurde eine gute Frage an mich herangetragen: „Ich habe immer noch nicht genau verstanden, was du machst. Wem hilfst du? Mit welchen Fragen kann ich zu dir kommen?  

 

Rückblende

 

Ein dunkler Himmel in der Nacht, in der Nähe von Genf. Ein junges Mädchen noch, meine Patin verspätet sich, die Türe ist verschlossen. Während ich auf sie warte, gehe ich ein paar Schritte. Der Himmel ist klar, übersät von funkelnden Sternen. Bewegen sie sich? Ich schaue genauer hin. Sie bewegen sich tatsächlich…beginnen zu kreisen und verschmelzen zu einem unermesslich breiten Strom aus Lichtern, der wie ein Wasserfall auf mich zustürzt und mich davonträgt. Ich verwandle mich ein einen der abertausenden von Sternen, funkle aus mir heraus, bin gleichzeitig jedoch verschmolzen mit dem grossen Ganzen. Ein Ich, ein Wir. Mit grosser Klarheit spüre ich: ich bin einzigartig, ein jeder von uns ist es, einzigartig, unersetzlich. Doch bin ich nicht einsam und nicht abgeschnitten von den anderen: die Sterne um mich herum sind meine Schwestern und Brüder. Gemeinsam sind wir alles, unermessliche Energie, Freude und Licht, ein Teil Gottes.

 

 

Verbindung

Was nun hat meine Vision als Teenager mit der Frage meiner Freundin zu tun?
Über die Jahre hat sie sich von einer Vision in einen Auftrag gewandelt. Irgendwann erklärte mir eine meiner Lehrerinnen, dass „Beruf“ von „Berufung“ stamme. (mittelhochdeutsch beruof = Leumund, von Luther gebraucht für „Berufung“)

 

Durch mich hindurch und mit meiner Tätigkeit soll beim Anderen die Erinnerung wieder erwachen an seine eigene unverwechselbare Einzigartigkeit UND für unsere unzerstörbare Verbindung untereinander.

 

 

Tun und sein

Für mich ist mein Beruf nicht etwas, das ich tue, sondern etwas, das ich bin.
Im Zentrum unveränderlich: die persönliches, ganzheitliches Wachstum in das Beste, das ich sein kann, und die Rückbindung an etwas Grösseres.

 

Von aussen betrachtet wechseln die Gewänder: Healer. Körperpsychotherapeutin. Coach. Meditationsleiterin. Immer wieder fragt mich mein Mann: „how many times do you change your job?“ Weil ich zu faul bin, um es lange auszuführen, lautet meine Antwort meist: „I am always doing the same“ – was aus meiner Sicht ja auch stimmt.

 

Dann, schleichend, die grosse Pause mit der Ankunft des kleinen Menschen, den ich für mich den „kleinen Prinzen“ nenne.

 

Ich merke, wie ich in meiner langjährigen Tätigkeit ermüde, wie sich in den Sitzungen Ungeduld und Langeweile breit macht. Ich weiss, ich muss etwas ändern. Doch wie soll ich meinem inneren Ruf treu bleiben? Ich suche, bin desorientiert. Die Antwort, die Umsetzung fallen mir schwer.

 

Unmerklich, langsam, beginnen sich die Kernkonzepte wieder herauszuschälen. Der Reichtum der unverwechselbaren Einzigartigkeit. Die lebensspendende Kraft der Verbindung untereinander.

 

Mit dem kleinen Prinzen hat sich eine neue Welt geöffnet und plötzlich sehe ich, dass unter uns Menschen leben, die ich bisher noch nie wahrgenommen hatte. (Ja, ich auch!!) Für sie sind Willkommen-geheissen-sein, offene, natürliche Begegnungen und Freude an der Andersartigkeit keine Selbstverständlichkeit.


Zu meiner stillen Praxistätigkeit fügt sich ein neues Element hinzu: Stimme will ich sein für Momente der Gemeinsamkeit und Begegnung, für Neugierde, Offenheit und den Mut, sich auf etwas Unbekanntes einzulassen. Vielfalt bereichert und ein jeder von uns ist ein unersetzlicher, wertvoller Teil des Ganzen! Einladen möchte ich alle, mit mir zusammen für eine bunte Welt einzustehen.

 

Wertvolle Momente

 So haben alle Menschen Begabungen, mit denen ihr eigenes Leben und das der Gemeinschaft reicher werden.
Bei einigen geht die Entwicklung ihrer Stärken müheloser vonstatten. Andere brauchen mehr Begleitung, mehr Geduld, mehr Wiederholung, ein besonderes Umfeld. Manchmal fehlt es an Wurzeln, manchmal liegen die Talente hinter schwer zu öffnenden Türen verborgen, manchmal braucht es einfach mehr Zeit und liebevolle Ermunterung. Individuelle Förderung, nennen es die einen, mir gefällt entwicklungsfördernde, ganzheitliche Begleitung besser. Dabei sind mir die Eltern genauso wichtig. Wieviel Mut, Zähigkeit, Einsatz, Unerschrockenheit und täglicher, tatkräftiger, unglaublich liebevoller Einsatz hier doch -meist- im Verborgenen lebt. Wie viele Sorgen auch, Fragen, Ängste manchmal….und wieviel sich Aufraffen und einfach weitermachen.

 

Aus der Vielzahl von verfügbaren Methoden habe ich mir im Moment zwei herausgesucht, vor allem, weil sie von wunderbaren und menschlich überzeugenden Lehrern weitergegeben werden. Ihr Wissen und ihre Kompetenz, gepaart mit viel Empathie für den Anderen, machen für mich ihre Konzepte so überzeugend.

 

Neue Therapieinstrumente und, ohne die grossen auszuschliessen, kleinere Menschen in der Praxis – (hoffentlich bald noch viel mehr!). Meine Absicht jedoch bleibt sich gleich: ich setze mich ein dafür, dass die Stärken bei meinem Gegenüber zum Tragen kommen. Stolz soll er/sie auf sich sein und die Würde seines/ihres Lebens spüren. Stolpersteine und Auffälligkeiten können wir gemeinsam aus dem Weg räumen. Nicht die Symptome, nicht die Bezeichnungen interessieren mich, sondern das Wesen des Menschen, den ich vor mich habe. Jede Begegnung ist neu und berührend. Aus diesem Feld heraus, so hoffe ich, entstehen Wachstum für alle Beteiligten…..und Samen für eine warme, offene Gesellschaft, die alle Mitglieder willkommen heisst.

 

Ob ich die Frage meiner Freundin beantwortet habe?  Wenn wir uns das nächste Mal treffen, werde ich sie fragen.

 

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